Nach Münchner Missbrauchsskandal:  Kirchenaustritte verdoppeln sich

Das Gutachten einer Münchner Kanzlei zum Umgang mit sexuellem Missbrauch am Erzbistum München-Freising hat große Wellen geschlagen. 

Seitdem das Gutachten am Donnerstag veröffentlicht wurde, sind beim KVR mehr als 650 Termine für Kirchenaustritte gebucht worden. Das sei deutlich mehr als doppelt so viel, wie normal, so das KVR auf Gong 96.3 Nachfrage. Daher wurden extra zwei neue Mitarbeiter eingestellt, um den Aufwand zu bewältigen – wer aus der Kirche austreten will, kann das auch per Post machen.

Kardinal Friedrich Wetter entschuldigt sich 

Der frühere Erzbischof von München und Freising, Kardinal Friedrich Wetter, hat sich für seine «falsche Entscheidung» in einem prominenten Missbrauchsfall entschuldigt. Der betreffende Pfarrer hätte nicht mehr in der Seelsorge eingesetzt werden dürfen, hieß es in einer Erklärung, die das Erzbistum am Dienstag in Wetters Auftrag veröffentlichte.

«Es tut mir von Herzen leid», sagte er. «Hätte ich anders entschieden, hätte es zu diesen Missbräuchen nicht kommen können.» In anderen Fällen bestreitet er ein ihm vorgeworfenes Fehlverhalten allerdings vehement.

«In 6 Fällen liegt kein Missbrauch vor», schreibt Wetter beispielsweise - oder: «Ein Name war mir völlig unbekannt.» Er kommt zu dem Schluss: Die Fakten der 21 Fälle belegten «keinesfalls pauschal ein "Fehlverhalten in 21 Fällen"».

Vor 2010 sei nicht bekannt gewesen, welcher Schaden den Opfern durch den Missbrauch zugefügt werde, hieß es. In der Odenwaldschule sei sexueller Missbrauch als pädagogisches Mittel angewandt worden.

Wetter äußerte sich: «Diese Entscheidung lag Jahre vor dem Jahr 2010, in dem mir die fatalen und zerstörerischen Folgen faktisch erst wirklich bewusst wurden, die durch Missbrauch Kindern und Jugendlichen zugefügt werden», über seinen Umgang mit eben jenem berühmt gewordenen Fall H.

«Eine ernsthafte und eingehende Auseinandersetzung hatte es bis dahin bei mir nicht gegeben. Eine Folge davon war, dass ich mit den Tätern nicht mit der gebotenen Strenge umgegangen bin.» Sein «Problembewusstsein» sei «nicht genügend ausgebildet» gewesen, sagte Wetter - und damit sei er damals nicht allein gewesen.

«Dass dies damals bei vielen in der Gesellschaft, nicht nur in der Kirche, so war, macht mein unangemessenes und objektiv falsches Verhalten von damals zwar für mich verständlicher, kann es aber nicht rechtfertigen.» Er sei ein «Kind meiner Zeit».

25.01.2022